Eine Autobiographie zu verfassen ist kein Spaziergang. Wie für jede Freizeitaktivität müssen Sie zwischen Beruf und Alltag die Zeit dafür finden. Zeit zum Erinnern. Zeit zum Recherchieren. Zeit zum Schreiben. Dem nicht genug: Sie müssen diese Stunden auch noch mit Bedacht wählen. Denn: Nicht jede freie Zeit ist die beste Tageszeit. Und dann gibt es da noch diese Sache mit dem Lächeln.
Das Projekt Autobiographie gleicht einer Bergtour. Sanfte Anstiege wechseln sich mit kurzen Ebenen und steilen Hängen ab. Aber der Gipfel lockt. Wenn Sie oben ankommen, halten Sie das Buch mit der Geschichte Ihres Lebens in den Händen.
Bleiben Sie konsequent dran
Um dieses Ziel zu erreichen, können Sie jede Zeit nutzen, die gerade frei ist. Das ist zunächst einmal eine gute Idee. Denn nur wenn Sie konsequent an Ihrem Projekt dran bleiben, ist die Chance groß, dass Sie es zu Ende bringen.
Und manchmal geht es auch gar nicht anders. Wenn Sie beispielsweise mit anderen Menschen darüber sprechen wollen, wie sie sich an gemeinsame Erlebnisse erinnern. Oder wenn Sie an einen Ort fahren wollen, um sich so manches noch einmal vor Augen zu führen. Oder wenn Sie in Büchereien und bei Behörden Dokumente einsehen wollen. In all diesen Fällen müssen Sie sich immer auch nach anderen richten und sich Ihre Zeit entsprechend einteilen.
Helfer auf dem Weg nach oben
Beim Recherchieren und Sammeln des Materials spricht nichts dagegen, die Stunden und Möglichkeiten zu nutzen, die sich Ihnen gerade bieten. In diesen Fällen müssen Sie nur motiviert sein.
Wenn es allerdings ums Erinnern und Schreiben geht, dann müssen Sie zudem kreativ sein. Da reicht es nicht, einfach Zeit zu haben. Es muss Ihre Zeit sein.
Um effektiv und mit Freude an Ihrer Autobiographie zu arbeiten, sollten sie sich deshalb drei Punkte beachten.
Kennen Sie Ihren Chronotyp
Sie haben sicher schon von Eulen und Lerchen gehört? Das sind sogenannte Chronotypen. Damit ist gemeint, dass jeder Mensch seine eigene innere Uhr hat. Wie Ebbe und Flut gibt sie die Hochs und Tiefs eines Tages vor. Diesen Rhythmus sollten Sie kennen. Er ist nicht erlernbar. Er ist in Ihren Genen gespeichert.
Eulen sind Nachtmenschen. Sie gehen spät ins Bett und werden morgens dementsprechend später war. Richtig munter sind sie dennoch nicht. Sie sollen erst gegen Abend richtig geistig fit sein.
Lerchen sind das genau Gegenteil. Tagmenschen. Früh ins Bett. Früh raus aus den Federn – und dann gleich frisch losgelegt.
Echte Eulen und Lerchen sind allerdings selten. Darin sind sich die Forscher einig. Die eine Studie spricht von vier Chronotypen, die andere von sieben.
Aber letztlich ist das gar nicht entscheidend. Wichtig für Sie ist, der Takt in dem Sie leben herauszufinden.
Und das ist gar nicht immer so einfach. Schließlich werden wir oft von der äußeren Uhr regiert. Von den Zwängen des Alltags.
Am besten eignet sich ein Urlaub, um sich besser kennenzulernen. Lassen Sie sich doch mal treiben. Nehmen Sie sich nichts vor. Gehen Sie ins Bett, wenn Sie müde sind. Und lassen Sie abends zur Abwechslung mal Smartphone, Fernseher und Computer links liegen. Stehen Sie auf, wenn Sie wach werden. Es wird sicher einige Tage dauern. Aber dann kommen Sie langsam in Ihrem Rhythmus an.
Ihre Kreativität hat ihre eigene Zeit
Wenn Sie nun beispielsweise ein Morgens-munter-Mensch sind, dann denken Sie jetzt sicher: Ich stehe etwas früher auf und schaufle mir so die Zeit zum Erinnern und Schreiben frei.
Guter Vorsatz. Aber nutzen Sie diese Zeit besser für die analytische Seite Ihres Autobiographie-Projekts – wie Ihr Material zu strukturieren.
Denn: Wenn Sie kreativ sein wollen, sollten Sie eben nicht Ihre Hochphase nutzen. Das haben beispielsweise zwei amerikanische Forscherinnen, Mareike B. Wieth und Rose T. Zacks, in einer Studie 2011 belegt. Eine Zusammenfassung, allerdings auf Englisch, finden Sie hier: The Inspiration Paradox: Your Best Creative Time Is Not When You Think – Scientific American
Das bedeutet: Wenn Sie am Vormittag geistig besonders fit sind, dann sollten Sie abends kreativ werden. Sie haben dieses Phänomen sicher schon selber mehrfach erlebt. Sie dösen gerade auf dem Sofa vor sich hin – und plötzlich schießt der Geistesblitz durch ihr Gehirn, der Sie bei einem Problem voranbringt. Oder Sie duschen fröhlich pfeifend – und da überfällt Sie die Idee, mit der Sie Ihr Projekt voranbringen können.
Gute Laune ist wichtig
Allzu dogmatisch sollten Sie die Sache mit dem Rhythmus allerdings nicht angehen. Schließlich sind wir Menschen. Und wie gut wir an etwas arbeiten, wird nicht alleine durch den Chronotyp beeinflusst. Besonders wenn Sie an einer Autobiographie arbeiten, finde ich den dritten Punkt am wichtigsten.
Bei der Berg-Tour durch Ihr Leben sollten Sie nämlich eines vermeiden: Dass es steil abwärts geht – mit Ihrer Stimmung.
Denn: Wenn sie schlecht gelaunt sind, erinnern Sie sich verstärkt nur an negative Erlebnisse. Und übersehen womöglich all die guten Dinge, die Ihnen widerfahren sind.
Unsere Gefühle haben einen starken Einfluss auf unsere Gedächtnis. Das nennt sich der Stimmungskongruenzeffekt.
„Versetzt man eine Person in eine positive Stimmung, dann erinnert sich diese Person besser an positive Kindheitserlebnisse, Geschichten oder Wörter als an negative. Und umgekehrt kann eine traurige Person mehr traurige Begebenheiten abrufen (Snyder & White, 1982). Es scheint also so zu sein, dass die aktuelle Stimmungslage einen Einfluss darauf hat, welche autobiografischen Erinnerungen mit größerer Wahrscheinlichkeit abrufbar sind.„
Prof. Gesine Dreisbach, Universität Regensburg, Artikel „Wie Stimmungen unser Denken beeinflussen“ (Link: The Inspiration Paradox: Your Best Creative Time Is Not When You Think – Scientific American)
Der Artikel ist zwar von 2008, an der Meinung der Forscher zur Stimmungskongruenz hat sich aber bis heute nichts geändert.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Ihre Stimmung mal etwas runter geht, wenn Sie sich an früher erinnern. Schließlich erleben wir nicht nur schöne Momente. Und in Ihrer Autobiographie sollte auch Platz für beide Seiten des Lebens sein.
Doch wenn Sie beim Erinnern zu sehr in die Tiefe gerissen werden – machen Sie eine Pause.
Ebenso ist es normal, dass Sie nicht jeden Tag gleich gut gelaunt sind. So wie Ihnen Ihre innere Uhr Hochs und Tiefs beschert so ist es bekanntermaßen auch im Leben.
Wenn Sie also vom Alltag zu sehr genervt sind – lassen Sie die Finger von Ihrem Projekt. Nicht nur vom Erinnern, sondern auch vom Schreiben. Gerade beim Schreiben ist es enorm wichtig, motiviert und gut drauf zu sein. Dann fließen Ihnen die Wörter viel besser aufs Papier oder den Bildschirm.
Und dann kommen Sie irgendwann ganz oben auf dem Gipfel an – und halten Ihr fertiges Buch mit der Geschichte Ihres Lebens in den Händen.